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Eigentlich müsste Symphorien Denonkpo erleichtert sein. Die Regentropfen auf den Blättern der Maispflanzen, die er vor einigen Monaten angesät hat, sehen aus wie kostbare Perlen. Noch bleiben sie dort, bevor sie zur Blattspitze rutschen und auf den vom Schauerregen durchnässten Boden fallen. Oder schon bald verdunsten; einige Sonnenstrahlen drücken bereits durch den bewölkten beninischen Nachmittagshimmel.
Fast 40 Tage lang hat Symphorien auf den Beginn der Regenzeit gewartet. Doch nun, da die ersten Regengüsse gefallen sind, steht ihm keine Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Seine Pflanzen hätten den Niederschlag früher gebraucht. Er hätte ihn früher gebraucht. Dringend. Denn seine Ernte ist mehr als nur Materie, die passiv den Produktionsprozess vom Feld auf den Teller entlanggeht. Der Mais ist seine Lebensgrundlage. Fällt die Ernte weg, ist diese bedroht. Und genau das ist passiert: «Ich pflanze Mais an. Nun bin ich darauf angewiesen, ihn zu kaufen», sagt er, auf dem Boden stehend, der erst gestern noch trocken und staubig gewesen ist.
Fast 40 Tage Warten. Das ist zu lange für Symphoriens Felder.
Ein grundlegender Pfeiler von Gerechtigkeit ist, dass diejenigen die Konsequenzen tragen, welche ihre Ursachen verantworten. Hier auf dem Feld in der zentralbeninischen Gemeinde Dassa-Zoumé scheint diese Logik so weit entfernt zu sein wie Symphoriens Glaube, dass alles einmal wieder so sein wird wie früher. Sein ganzes Leben beackert er Felder und bringt verschiedenste Getreidesorten zum Blühen und auf den Tisch seiner Familie. Früher konnte er sich auf den pünktlichen Start der Regenzeit im April verlassen; wann der Regen kommt, war grösstenteils erwartbar. Doch vor einigen Jahren begann sich etwas zu verändern. Etwas, das mehr ist als nur eine Laune der Natur.
«Ich pflanze Mais an. Nun bin ich darauf angewiesen, ihn zu kaufen.»
Der Klimawandel ist eine menschengemachte Krise. Man möchte präzisieren: Eine von den Bewohner*innen der Industrienationen gemachte Krise. Denn während Länder wie China, die USA oder die Golfstaaten, aber auch die Schweiz die Klimakrise massgeblich befeuern, sind ärmere Länder wie Benin weitgehend daran unbeteiligt. Auch wenn sich die Erderwärmung in der Schweiz besonders akzentuiert und auch der tragische Felssturz von Blatten mit der Klimakrise in Verbindung gebracht werden muss, ist es der Globale Süden, der seine Folgen am meisten spürt.
Der Globale Süden; das ist mehr als nur ein generischer Begriff, die Summe aller Teile aus afrikanischer, lateinamerikanischer und asiatischer Länder. Der Globale Süden besteht aus menschlichen Schicksalen. Wie demjenigen von Symphorien Denonkpo. Sein Ernteausfall ordnet er nummerisch ein. «Normalerweise ernte ich für einen Hektar Land 25 Säcke Mais. Jeder Sack enthält fünf Kilogramm. Für jeden Hektar Land komme ich also auf 125 Kilogramm Mais», rechnet er vor. Dieses Mal konnte er aufgrund des verspäteten Regens auf einen Hektar gerade einmal einen einzigen Sack mit Mais füllen. Der Ernteausfall beträgt so 96 Prozent. Die Folgen der Klimakrise für die Projektteilnehmer*innen von Brücke Le Pont: Symphoriens Ernteausfall ist beispielhaft dafür.
Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, auf solche Herausforderungen Lösungen zu finden. In der Schweiz setzt sich Brücke Le Pont deshalb dafür ein, politische Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie den Menschen in den Programmländern helfen, etwa, indem dafür eingestanden wird, dass sich Grosskonzernen an Umwelt- und Menschenrechte halten müssen. Die zweite Konzernverantwortungsinitiative ist zustande gekommen, wie die Bundeskanzlei kürzlich verlauten liess.
Doch abstrakte Initiavtexte und Gesetzesentwürfe sind für die Projektteilnehmer*innen von Brücke Le Pont weit weg. Eine von ihnen ist Colette Koutonin. Die Mutter von neun Kindern ist Teilnehmerin des Projekts Agrivaleur. Auch sie steht auf einem feuchten Feld nahe Dassa-Zoumé. Sie ist umringt von Manioksträuchern, ein Schild steht daneben: RB cona 84. Was technisch klingt, ist in Wahrheit für Colette enorm bedeutend, denn die neue Variante kann besser mit längeren Trockenperioden umgehen: «So sind die Pflanzen weniger anfällig auf unvorhergesehene Wetterwechseln», sagt Colette.
Auch wenn die Klimakrise die Menschen in Benin trifft: Völlig ausgeliefert sind sie ihr nicht. Oft kombinieren die Menschen bei der Aussaat beispielsweise verschiedene Sorten. Maniok, Sorgo, Mais: eine Ernte wird letztlich überleben, auch wenn zwei davon den Extremwetterereignissen zum Opfer fallen, was noch immer ein riesiger Ernteverlust bedeutet. Die zielführendere Strategie ist es also, Pflanzensorten resistenter zu machen; RB cona 84, eben. Im Projekt testeten die Produzent*innen gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Beratern des Landwirtschaftsministeriums unterschiedliche Sorten, um jene zu identifizieren, welche in ihren klimatischen Bedingungen am besten gediehen.
Dass eine neue Maniok-Variante existiert, welche resistenter gegenüber der Klimakrise ist und Dürreperioden besser aushält, hat sich inzwischen auch herumgesprochen. Es ist ein weiteres Ziel des Projekts: die Erfolge sollen sich herumsprechen, damit andere Kooperative die neuen Anbaupraktiken ebenfalls erlernen können. Der Transfer von Wissen ist zentral, um die Landwirtschaft in den Projekten zu verbessern. Das verändert auch die Einstellungen bei den verschiedenen Kooperativmitgliedern und Projektteilnehmer*innen. Man lernt und spricht davon. Dabei steigt das Selbstbewusstsein der Menschen. Auch bei Colette: «Wir haben grosse Fortschritte erzielt. Das schenkt Zuversicht für die Zukunft», sagt sie.
Zuversicht, die hoffentlich auch bei Symphorien einkehren wird. Denn seine Geschichte ist ebenso real wie die Erfolge im Projekt Agrivaleur von Brücke Le Pont. Eine Geschichte, die Menschen im Globalen Norden zu verantworten haben. Und nicht der beninische Bauer Symphorien Denonkpo, der zu lange auf den Regen warten musste.