«Reyes Irene hat mein Leben komplett verändert. In diesem Projekt bilden sie dich aus, und zwar nicht nur fürs Studium, sondern für das ganze Leben», berichtet Owenis Ponce. Sie kam 22-jährig zu Reyes Irene und hat heute eine Festanstellung beim Arbeitsministerium (mehr dazu im Porträt). Wie Owenis geht es vielen jungen Frauen, die am Projekt Reyes Irene teilgenommen haben: Die Zeit in der Ausbildung hat sie geprägt, fürs ganze Leben, wie sie sagen.

Bildung für Mädchen aus schwierigen Verhältnissen

Mit dem Projekt Reyes Irene unterstützen Brücke Le Pont und ihre honduranische Partnerorganisation Sociedad Amigos de los Niños jährlich 250 Mädchen und junge Frauen im Alter von 15 bis 25 Jahren. Sie schliessen im Projekt ihre reguläre Schulbildung ab oder erlangen ein weiterführendes Berufsdiplom in den Bereichen Informatik, Sozial- und Geisteswissenschaften, Buchhaltung und Finanzen oder öffentliche Gesundheit und Ernährung.

Im Zentrum steht die ganzheitliche Stärkung der jungen Frauen: Zusätzlich zur fachlichen Ausbildung besuchen sie Kurse zu Gewaltprävention, sexueller und reproduktiver Gesundheit, Menschen- und Frauenrechten sowie zu ihren Rechten und Pflichten in der Arbeitswelt. Da viele Mädchen sexualisierte Gewalt erlebt haben, ist medizinische und psychologische Beratung fester Bestandteil des Projekts. Das Projektteam arbeitet dafür auch eng mit lokalen Institutionen aus dem Gesundheitsbereich zusammen.

Schwierige Corona-Zeit gut gemeistert

Die Projektphase 2020 bis 2022 war stark geprägt von der Covid-19-Pandemie. Diese hatte verheerende Folgen für die honduranische Bevölkerung, insbesondere für die ärmeren Bevölkerungsschichten, auf die das Projekt ausgerichtet ist.

Dem Projektteam gelang es, dank einer äusserst raschen Umstellung auf flexiblen und mit einfachen Mitteln zugänglichen Online-Unterricht, zum Beispiel via WhatsApp, den Projektbetrieb ohne grösseren Unterbruch weiterzuführen.

Nicht nur die Lehrpersonen, sondern auch das weitere Projektpersonal, wie die Ärztin und die Psychologin, begleiteten und betreuten die Mädchen und jungen Frauen eng. Dies führte zum hervorragenden Resultat, dass über die gesamten drei Jahre nur gerade zwei Schülerinnen ihr Schul- oder Berufsbildungsjahr nicht erfolgreich abschliessen konnten.

Im Hof des Ausbildungszentrums

Vertrauensbildung und Teamgeist werden im Projekt auch spielerisch gefördert, wie hier im Innenhof des Ausbildungszentrums. Die jungen Frauen lernen, mit anderen zusammenzuarbeiten und ihre Meinungen und Bedürfnisse klar und respektvoll zu kommunizieren.

Projektteilnehmerinnen

Die Projektteilnehmerinnen leben in von Armut und Gewalt geprägten Quartieren. Im Projekt erleben sie Zusammenhalt und das Projektpersonal legt viel Wert darauf, sie nicht nur fachlich auszubilden, sondern ganzheitlich zu stärken.

Hingegen sind die Resultate im Bereich Arbeitsmarktintegration weniger erfolgreich: Das Ziel, dass 82 Absolventinnen eine Stelle zu würdigen Bedingungen finden, konnte nur zu 70 Prozent (entspricht 57 Absolventinnen) erreicht werden. Weitere 104 junge Frauen fanden zwar eine Stelle, sie verdienen jedoch weniger als den Mindestlohn und erhalten nur teilweise oder keine Sozialleistungen.

Die Arbeitsmarktintegration zu würdigen Bedingungen bleibt eine grosse Herausforderung. Dies liegt vor allem daran, dass es in Honduras nur wenige Stellen im formellen Arbeitsmarkt gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Arbeitsmarkt noch nicht von den negativen Folgen der Covid-Pandemie erholt hat. Die wirtschaftliche Krise und die Arbeitslosigkeit stehen gemäss der letzten Umfrage zuoberst auf dem «Sorgenbarometer» der honduranischen Bevölkerung, gefolgt von der Unsicherheit und Kriminalität im Land.

Ermutigende Ergebnisse der Langzeitstudie

Ein Blick auf die Arbeits- und Lebenssituation von 130 Frauen, die das Projekt in den letzten sechs Jahren abgeschlossen haben, macht aber Mut: Die 2022 durchgeführte «Tracer Study» (siehe unten) zeigt, dass das Projekt die Einkommen der Teilnehmerinnen positiv beeinflusst hat. Bei Beginn der Ausbildung verdienten nur 6 Prozent der arbeitstätigen Schülerinnen mehr als 190 Franken (5000 honduranische Lempiras) pro Monat, nach dem Abschluss stieg der Anteil auf 44 Prozent.

Ausserdem fällt auf, dass die jungen Frauen nicht bereit sind, zu allen Bedingungen zu arbeiten und schlechte Stellenangebote auch ablehnen. Dem Projekt gelingt es also, den Teilnehmerinnen Wissen über ihre Arbeitsrechte zu vermitteln. Sie ändern ihr Denken und erwarten von potenziellen Arbeitgeber*innen, dass diese ihre Rechte respektieren.

Sowohl Brücke Le Pont und ihre Partnerorganisation als auch die Teilnehmerinnen schätzen das Projekt als äusserst relevant ein. Besonders positiv bewerten die Absolventinnen den menschlichen Umgang, die Stärkung des Selbstvertrauens und die psychologische und medizinische Unterstützung.

Ein Ziel für die nächste Projektphase ist, die Breitenwirkung im Bereich Arbeitsmarktintegration zu vergrössern. Zudem soll ein verstärkter Fokus auf der Situation von Mädchen liegen, die als Hausangestellte arbeiten. Dazu ist ein neues Pilotprojekt angedacht.