Owenis Ponce hat schon immer gerne gelernt. Doch als sie schwanger wird, bricht sie die Schule ab und sieht vorerst keine Möglichkeit, ihren Abschluss nachzuholen. Eine Nachbarin macht sie auf das Projekt Reyes Irene aufmerksam. Owenis ist skeptisch, doch das Projekt bietet auch eine Kinderbetreuung, wo sie ihre kleine Tochter während der Klassen abgeben kann. Ein gutes Argument, es zu wagen. Mit 22 schreibt sie sich ein, um die Matura nachzuholen.

Schon vom ersten Tag an merkt sie: Das hier ist etwas Besonderes. «Ich spürte von Anfang an die harmonische Stimmung im Ausbildungszentrum und war fasziniert davon, wie wertschätzend die Lehrkräfte die Schülerinnen behandeln. Der Umgang miteinander ist ganz anders als in anderen Schulen. Hier bist du Teil der Familie und wirst als ganzer Mensch gestärkt.»

«Mein Fokus lag immer auf der Ausbildung, ich wollte einfach studieren. Aber bei Reyes Irene geht es um viel mehr. Was sie dir da beibringen, hilft dir fürs ganze Leben.»

Owenis Ponce, Projekt-Absolventin

Von der Putzkraft zum Arbeitsministerium

Nach dem Matura-Abschluss startet Owenis Ponce die Ausbildung zur Röntgenassistentin. Daneben hat sie diverse Jobs, um sich und ihre Tochter durchzubringen: Sie unterrichtet Zumba-Stunden in einem Fitnessstudio, jobbt in einem Fastfood-Restaurant, als Babysitterin und als Putzkraft. Hauptsache, die Arbeitszeiten lassen sich mit der Ausbildung vereinbaren.

Nach der Diplomierung beschliesst sie, noch einen höheren Abschluss anzustreben, der ihr wirklich zusagt. Sie schreibt sich fürs Studium in Öffentlicher Verwaltung ein, mit Klassen aus den Fachbereichen Recht, Wirtschaft und Sozialwissenschaften. Ausserdem bewirbt sie sich beim Arbeitsministerium – und erhält die Stelle als Assistentin einer Anwältin.

«Als meine Chefin mir am ersten Tag meinen Arbeitsplatz zeigte und meinte ‘Komm, begleite mich zum Mittagessen’, musste ich an Reyes Irene denken. Ich glaube, es ist die ganzheitliche Erziehung, die ich dort erhalten habe, die mich hierhin gebracht hat, wo ich heute bin; und zwar viel mehr als alle meine späteren fachlichen Ausbildungen.»

Owenis hatte schon immer einen starken Gerechtigkeitssinn. «Bei Reyes Irene habe ich auch gelernt, nein zu sagen und mich laut zu wehren, wenn etwas Unrechtes geschieht.» Das hat sie bis heute beibehalten; und sie will anderen Menschen helfen, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren. «Ich will mich später als Beraterin zu Verwaltungsfragen selbständig machen, das ist mein grosser Traum. Ich will andere Menschen unterstützen, und zwar nicht nur vom Arbeitsministerium aus.»

Bessere Start-Chancen für ihre Kinder

Neben ihrem beruflichen Erfolg ist Owenis Ponce die Zukunft ihrer beiden Kinder das Wichtigste: «Es freut mich enorm, dass ich heute meinen Kindern eine bessere Lebensqualität und eine bessere Ausbildung bieten kann, als ich sie hatte. Mir fehlte es, dass meine Mutter mal mit mir hingesessen wäre und mir etwas erklärt hätte.» Sie könne das heute mit ihren Kindern machen: «Wir diskutieren und lachen sehr oft zusammen. Das bedeutet mir sehr viel. Ich will, dass meine Kinder studieren und alles haben, was sie brauchen. Deshalb sporne ich sie auch an, viel zu lernen. Da kommen sie aber sowieso nach mir: Sie sind beide sehr ehrgeizig.»